Einem Unternehmen, das im Netz möglichst zielgruppengenau Werbung schalten möchte, bieten sich heute neben der klassischen Adwords-Kampagne zahlreiche Onlineplattformen, die als direkte Werbeträger in Betracht kommen.
Besonders, wenn diese den „Special-Interest“ der eigenen Kundschaft aufgreifen und reflektieren, kann die direkte Einbindung von Werbemaßnahmen auf Webseiten solcher Drittanbieter interessant werden. Um Anzeigenkunden zu locken, bieten Webseitenbetreiber oft scheinbar freizügig Einblick in ihre Google Analytics Statistics und liefern auf den ersten Blick dabei beeindruckende Ergebnisse.
Doch grandios hohe Zahlenwerte können – wie oft im Leben – den Blick auf die Tatsachen trüben. Eine Vielzahl von Einflüssen – und nicht zuletzt Google selbst – sorgt auch im Internet dafür, dass Wachstum Schwankungen unterliegt. Dies gilt auch und besonders im Hinblick auf die Nutzerzahlen eines Onlineangebots.
Wenn Sie also eine solche Quartals-Entwicklung sehen, sollten Sie grundsätzlich erst einmal stutzig werden:
Sind Sie Gartenbesitzer, wird Ihnen dieses Wachstumsmodell per se verdächtig erscheinen.
Eine realistische Entwicklung von Nutzeraufkommen sieht – unabhängig von der Höhe des täglichen Durchschnitts – wesentlich gleichmäßiger aus und ist geprägt von Schwankungen und Ausreißern nach oben UND unten. In der Gesamtbetrachtung ergibt sich dabei ein sehr langsames durchschnittliches Wachstum:
Kommt Ihnen eine Statistik also irgendwie verdächtig vor, werfen Sie einmal einen genauen Blick auf die Gesamtbesucherzahlen und vergleichen Sie diese mit den eindeutigen Besuchen, den Unique Visits*.
Liegen die Gesamtbesucherzahlen bedeutend höher, als die Unique Visits, und ist im Umkehrschluss die Anzahl wiederkehrender Nutzer ungewöhnlich hoch, ist etwas faul. Warum? Ganz einfach:
Wie überall, ist es auch im Internet relativ schwierig, einen Nutzer zur Wiederkehr zu bewegen.
Dass sehr, sehr viele Nutzer dies innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne dennoch tun, ist möglich, aber insgesamt eher unwahrscheinlich. Die Zahl der Wiederkehrer bewegt sich in der Regel – auch bei Seiten mit sehr hohem Nutzeraufkommen – in einem Rahmen von 10 bis 20 Prozent. Werte im Bereich von 60 bis 70 Prozent legen die Vermutung nahe, dass hier ein Linknetzwerk – ein sogenannter SEO-Linkbuilder – seine Finger im Spiel hat. Weniger elegant ausgedrückt bedeutet dies: Gekaufter Traffic. Ein normales Verhältnis von Gesamtbesuchen zu Unique Visits sollte eher so aussehen:
Was aber ist daran so schlimm, dass Seitenbetreiber ihre Nutzer für den Besuche „entlohnen“? Nun – erst mal rein gar nichts. Bis man auf die Seitenaufrufe pro Besuch und die Absprungrate blickt.
Ist die Absprungrate sehr hoch, scheint das Angebot einer Seite für die Besucher nicht außerordentlich attraktiv zu sein. Sie verschwinden sofort nach dem Aufrufen der Seite wieder ins Nirwana des Netzes. Vielleicht interessieren sie sich aber auch einfach rein gar nicht für die dargebotenen Themen?
Passable durchschnittlich Besuchsdauern über einer Minute können – wie immer bei Durchschnittsberechnungen, durch einzelne Ausreißerwerte entstehen. Erst im Kontext der Seitenaufrufe insgesamt und pro Besucher gewinnen sie an Bedeutung. Ist zum Beispiel ein Nutzer besonders lange aktiv, treibt dies den Mittelwert deutlich in die Höhe. Dabei kann es sich ohne Weiteres auch um den Seitenbetreiber selbst oder Mitglieder von Online-Redaktionen handeln. Diese sind in der Regel den ganzen Tag auf der Site unterwegs und um bei Google Analytics die eigenen Klicks auszuschließen, benötigen Sie nicht nur einiges technisches Know-how, sondern auch eine feste IP.
Fazit: Hohe Nutzerzahlen alleine lassen nicht automatisch auf die Qualität des Webtraffic schließen. Erst wenn man mehrere Komponenten genauer unter die Lupe nimmt, wird eine tendenzielle Gesamtbewertung möglich.
Stetiger Anstieg der Nutzerzahlen bei hohen Absprungraten und unverhältnismäßig vielen Returning Visitors kann auf die Nutzung sogenannter SEO-Linkbuilder-Dienste hindeuten. Dann werden Sie möglicherweise auf der entsprechenden Seite auch Linklisten finden, die z.B. als „Partnerseiten“ ausgewiesen sind. Je nach Fragwürdigkeit des genutzten Netzwerkes kann dies letztlich zum Downrating des besagten Web-Angebots durch Google führen (Paid Links Penalty). Und, noch wichtiger: User aus Linknetzwerken klicken unter Umständen eben, weil sie für den Klick bezahlt werden. Der Content der Site ist ihnen dabei egal. Wenn die gelieferten Zahlen also Anlass zur einer derartigen Vermutung bieten, sollten Sie genauer nachfragen – zum Beispiel, welche nachprüfbaren Werbemaßnahmen der Seitenbetreiber ergreift, um solche Zahlen zu generieren – und gegebenenfalls prüfen, ob Ihre Werbung dort langfristig gut aufgehoben ist. Eine Seite mit täglich 200-300 aktiven Nutzern ist als Werbepartner langfristig wesentlich attraktiver, als ein Angebot mit auf dem täglich 1.500 Besucher landen, die sofort wieder abspringen.
*Google erfasst Unique Visits durch die Platzierung von Cookies. Ist ein Nutzer auf einer Seite eine Weile inaktiv, sieht Google seinen Besuch als abgeschlossen an. Kehrt er nach kurzer Zeit wieder, wird zwar ein neuer Besuch registriert, Google erkennt aber – wenn das Cookie nicht inzwischen gelöscht wurde – dass dieser Nutzer schon einmal hier war. Er fällt damit in die Kategorie „wiederkehrende Nutzer“ und nicht unter die Unique Visits, die letztlich ausschlaggebend für die Qualität des Traffics auf einer Site sind.